Das traditionelle Dōjō

So, Feb 20, 2011

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Beim Betreten eines Dōjō verlangt es die Etikette, dass man sich in Richtung der Vorderseite verbeugt. Aber wieso ist das so. Hierbei hilft ein genauerer Blick auf den klassischen Aufbau eines Dōjō. Es handelt sich in der Regel um einen Raum unterschiedlichster Ausmaße. Prinzipiell ist ein Dōjō allerdings ein Ort, wo einer Dō-Disziplin nachgegangen wird. Dies kann selbstverständlich auch draußen im Freien sein.

道場 – Dōjō – der Ort des Weges

Werfen wir nun einen genaueren Blick auf das traditionelle Dōjō. Wir beginnen mit der Front- oder Vorderseite, Shōmen genannt. Hier an dieser Seite des Dōjō befindet sich die Kamiza. Gegenüber der Vorderseite befindet sich die Rückseite, Shimoza genannt, mit dem Eingang, japanisch Genkan. Auf der rechten Seite befindet sich die Jōseki und gegenüber, auf der linken Seite, die Shimoseki. In der Mitte befindet sich die Trainingsfläche, auch bekannt als Embujō.

klassischer Aufbau eines Dōjō

klassischer Aufbau eines Dōjō

Betrachten wir nun die einzelnen, weiter oben schon genannten Elemente etwas detaillierter.

Shōmen

正面 – Shōmen  – Vorderseite, Fassade

An der Vorderseite ist Platz für dekorative Elemente. In vielen Dōjō sieht man, dass beispielsweise Schriftrollen, Fotos vom Stilbegründer oder anderen, Flaggen und dergleichen aufgehängt oder angebracht sind. Außerdem hier befindet sich die Kamiza.

Kamiza

Bei diesem Element herrscht in der Regel etwas Unklarheit. Es gibt zwei mögliche Schreibweisen für die Kamiza eines Dōjō. Zum einen wird es mit dem Zeichen – 神 – geschrieben. Je nach Leseart kann es als Shin, wie in Shintoismus oder als Kami, wie in Kamikaze gelesen werden und bedeutet soviel wie Gottheit. Zum anderen kann Kamiza mit dem Zeichen – 上 – geschrieben werden und bedeutet soviel wie oben, auf oder über.

神座 – Kamiza – Göttersitz
上座 – Kamiza – oberer Sitz – Ehrenplatz

Eine Kamiza (神座) mit der Bedeutung Göttersitz, besteht aus einem erhöhten Altar, auch als Kamidana (神棚) bekannt. Darauf befindet sich dann ein kleiner Schrein oder Shinden (神殿). Der Platz vor diesem Altar wird als Shinzen (神前) bezeichnet.

神棚 – Kamidana – Gottheit und Regal
神殿 – Shinden – Gottheit und Palast
神前 – Shinzen – Gott und davor, also so etwa wie sich vor Gott befindend

Eine Kamiza, mit der Bedeutung von Ehrenplatz, findet sich in modernen, nicht religiösen Dōjō.

Kami ist also nicht gleich Kami und sollte nicht verwechselt werden. Diese Verwechslungs- möglichkeit ist wohl darauf zurückzuführen, dass es in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts in Japan in Mode kam, shintoistische Familienaltare nicht nur für zu Hause, sondern auch für das Karate-Dōjō zu verwenden. Ist nun also ein Kamidana im Dōjō vorhanden, dann existiert auch der Platz vor diesem Altar, der Shinzen. Das bedeutet, es wird mit Shinzen ni Rei gegrüßt, ansonsten wird mit Shōmen ni Rei gegrüßt.

Deshalb wird sich übrigens auch beim Betreten des Dōjō in Richtung Vorderseite bzw. Kamiza verbeugt.

Shimoza

下座 – Shimoza – untere Sitze

Auf der Shimoza-Seite sitzen bei der Begrüßung die Schüler, aufgereiht nach Graduierung und Rang, vom niedrigsten beginnend bis zum höchsten von links nach rechts.

Shimoseki

下席 – Shimoseki – untere Plätze also gedacht für die Schüler

Auf der linken Seite des Dōjō halten sich in aller Regel die unteren Ränge auf. Vielleicht ist es ja dem einen oder anderen aufgefallen, dass es häufig der Fall ist, dass Anfänger am weitesten links trainieren.

Jōseki

次席 – Jōseki – nächste Plätze also gedacht für die Assistenten des Lehrers (Sempai)

Analog zur Shimoseki-Seite befinden sich auf der rechten Seite, der Jōseki-Seite, die weiter fortgeschrittenen Schüler bzw. die Assistenten des Lehrers. Die Anfänger sitzen also, für den Fall eines Angriffes auf das Dōjō, als eine Art Kanonenfutter am dichtesten am Eingang und der Meister am weitesten davon entfernt. Die höher graduierten Schüler bleiben in der Regel auch auf der Jōseki-Seite und die niederen Ränge auf der Shimoseki-Seite.

weitere Begriffe

玄関 – Genkan – Eingang
演舞場 – Embujō – Theater also die Trainingsfläche
名札 – Nafuda – Namenstafel

Eher selten gesehen in einem Dōjō, vielleicht auf Grund einer hohen Mitgliederfluktuation oder auf Grund der Tatsache, dass heutzutage ein Dōjō in der Regel eine öffentliche Sporthalle ist, ist eine so genannte Nafuda, eine Namenstafel. Auf dieser werden alle Dōjōmitglieder mit Namen und Rang verzeichnet und natürlich immer aktuell gehalten.

Richtig traditionell eingerichtete Dōjō sind hierzulande leider eine Seltenheit. Viele Karatevereine können lediglich mit einer überschaubaren Mitgliederzahl aufwarten, so dass diese sich bei moderaten Mitgliedsbeiträgen keine eigenen Räumlichkeiten leisten können. Deshalb wird in diesen Vereinen in öffentlichen Sporthallen trainiert. Jeder der in einer entsprechenden Atmosphäre trainieren kann, sollte dies zu schätzen wissen.

In diesem Sinne.

2 Kommentare

  1. ~Mike

    Hallo Holger,

    auch wenn ich mit Karate noch keine Erfahrungen habe finde ich deine Beiträge bzw. deinen gesamten Blog sehr informativ und ich denke das ich das eine oder andere für mich verwenden kann. Leider sind wenn ich mich nicht täusche die letzten Beiträge in diesem Blog von 2014. Ich hoffe bei dir ist alles i.O. und werde deinen Blog im Auge behalten.

    VlG, Rei und arigato gozaimashita

    • Kyōhan

      Hallo Mike,

      bei mir ist alles bestens. Meine Zeit ist seit ein paar Jahren etwas intensiver für die Arbeit und Familie verplant. Da ich in letzter Zeit nicht mehr so viel zum Lesen gekommen bin, ist es auch mit meinem Output abgeebbt. Ich habe aber definitiv Material und Ideen für neue Blogeinträge. Ich muss mir nur mal die Zeit nehmen um zu schreiben.

      Ich freue mich, dass Dich meine Sicht der Dinge zum Nachdenken anregt.

      Viele Grüße
      Holger

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