Karate Ni Sente Nashi – Karates bekannteste Maxime

Mi, Sep 1, 2010

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Karate Ni Sente Nashi (空手に先手なし) ist die wohl bekannteste Maxime im Karate. Funakoshi Gichin manifestierte sie in seinem Shōtōnijūkun (松濤二十訓) – den 20 Paragraphen – zum Karate Dō gleich an zweiter Stelle. Sie soll die geistige Einstellung der Praktizierenden maßgeblich prägen und die defensive Grundeinstellung der Kampfkunst Karate Dō betonen.

Gleichzeitig ist sie wohl auch die am meisten missverstandene Maxime des Nijūkun. Übersetzt bedeutet sie soviel wie:

Es existiert keine Initiative/erster Angriff im Karate.

In vielen Dōjōs wird im Training immer wieder betont nicht die Initiative zu ergreifen und einen Angriff zu starten, unter keinen Umständen. Ein weiteres  Argument was dies unterstreichen soll, ist die Aussage, das diese Maxime sich in den Kata widerspiegelt, da diese doch immer mit einem Block beginnen. Hier wird sich buchstäblich auf die bloße Übersetzung beschränkt ohne sich um den eigentlichen Sinn zu bemühen. Es wird nicht als Einstellung verstanden sondern als Verhaltensregel.

Historisch gesehen war und ist Karate in erster Linie ein System zur Selbstverteidigung. Das bedeutet, dass die alten Meister durchaus die Prinzipien des Kampfes verstanden und erfolgreiche Gegenmaßnahmen kannten um einem Angriff begegnen zu können.

Hier gehört natürlich auch dazu, dass wenn eine Auseinandersetzung nicht zu vermeiden ist, die Sache so schnell wie möglich beendet werden sollte. Das bedeutet, dass ein Präventivschlag eine sehr Erfolg versprechende Methode ist um relativ unbeschadet aus der Angelegenheit zu kommen.

Da Angriffe zum großen Teil in der Nahdistanz geführt werden und unter anderem die optische Wahrnehmung auch einer gewissen Zeitverzögerung unterliegt, ist derjenige der zuerst schlägt zum größten Teil derjenige der nicht verliert. Da Aktio schneller ist als Reaktio, ist ein karatemäßiges Blocken eines solchen Angriffes in der Regel nicht möglich. Hinzu kommen noch Faktoren wie Stress, Adrenalin sowie das Ansteigen der Herzfrequenz die sich ebenfalls negativ auf  das Koordinationsvermögen auswirken können. So beschränkt sich das Ganze also meist auf natürliche Reaktionen wie z.B. wegducken oder die Hände hochzunehmen.

Die genauere Betrachtung einer Gefahrensituation lässt durchaus einen Präventivschlag zu. Hat sich ein Angreifer erstmal entschlossen zu attackieren, dann ist der Angriff bereits in vollem Gange und somit jede Maßnahmen gerechtfertigt die den Angriff beendet und die eigene Unversehrtheit sicherstellt.

Im Übrigen ist dieses Verhalten selbst in den Instinkten der Tiere verankert. Fühlen diese sich bedroht und haben keine Rückzugsmöglichkeit, treten sie oft die Flucht nach vorn an und gehen zum Angriff über.

Diejenigen die es wissen müssten haben sich ebenfalls zu diesem Thema schon geäußert. Hier mal ein paar Aussagen unter anderem auch von Funakoshi selbst.

In seinem 1935 erschienenen Buch „Karate Dō Kyōhan“ verfasste Funakoshi die nachfolgenden Zeilen.

Wenn es keinen Ausweg gibt oder man festgesetzt wurde noch bevor man einen Fluchtversuch unternehmen konnte, ist es Zeit den Einsatz von Selbstverteidigungstechniken in Erwägung zu ziehen. Zeige nicht  einmal in dieser Situation die Absicht anzugreifen und warte bis der Angreifer sich in Sicherheit wiegt. Lege in einem Überraschungsmoment alle Kraft in einen Schlag und attackiere eine verwundbare Stelle (Vitalpunkt) und bringe dich dann in Sicherheit und suche Hilfe.

Auch Mabuni Kenwa (Gründer des Shitō Ryū) hielt in seinem 1938 erschienenen Buch „Kōbō Kenpō Karate Dō Nyūmon“ folgendes in Bezug auf das richtige Verständnis der zur Diskussion stehenden Maxime für die Nachwelt fest.

Im Karate existiert das Gebot „Karate Ni Sente Nashi“. Richtig verstanden deutet dies auf die geistige Einstellung hin nicht begierig darauf zu sein zu kämpfen. Es soll verdeutlichen, dass nur weil man sich im Karate geübt hat, dies nicht dazu berechtigt andere grundlos zu schlagen oder zu treten.

Steht man allerdings jemandem gegenüber der einem Schaden zufügen will, sollte man handeln wie ein Krieger der in die Schlacht zieht. Und so ist es nahe liegend, dass der Angriff auf den Feind zu führen ist um dessen Angriff zuvorzukommen. Solche Maßnahmen verstoßen in keiner Weise gegen das Gebot des „Sente Nashi“.

Motobu Chōki äußerte sich in seinem 1932 erschienen Buch „Watashi no Karate Jutsu“ ebenfalls zum Thema.

Es existiert der Ausspruch „Karate Ni Sente Nashi“. Offenbar neigen einige Leute dazu dies wortwörtlich zu nehmen. Ich denke Sie machen damit einen ernsthaften Fehler.

Die Bedeutung dieses Ausspruchs liegt darin, dass man anderen nicht grundlos schaden soll. Wenn man allerdings in eine ausweglose Situation gerät, obwohl man sich ernsthaft bemüht hat Ärger aus dem Weg zu gehen und der Feind ernsthaft vor hat einem Schaden zuzufügen, dann muss man sich der Situation stellen und kämpfen.

Wenn man kämpft so ist das wichtigste die Kontrolle über den Gegner zu erlangen. Also muss man die Initiative ergreifen und attackieren. Es ist sehr wichtig daran zurückzudenken.

Diese Maxime bedeutet also viel mehr so viel wie „Gehe jedem Ärger aus dem Weg und suche keinen Streit“. Karate sollte also nicht trainiert werden um anderen grundlos Schaden zuzufügen, sondern vielmehr um Schaden von sich abzuwenden. Hier gehört vor allem dazu Gefahrensituationen bewusst zu vermeiden, bzw. erstmal eine Deeskalation einer Situation zu forcieren. Man sollte nicht versessen darauf sein das im Dōjō erlernte unbedingt in einer echten Auseinandersetzung ausprobieren zu wollen. Selbst wenn man gewinnen sollte, unbeschadet verlässt kaum jemand das Schlachtfeld. Moralischer Verlierer ist man auf jeden Fall.

Schon der chinesische Meisterstrategen Sun-Tzǔ bemerkte:

Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft.

Dem schließe ich mich an. In diesem Sinne!

2 Kommentare

  1. ~Dirk

    Hallo,

    danke für den Artikel. Ich denke jedoch, dass dieser ergänzt werden sollte. Betrachtet man die Aussage „Karate niwa, sente wa nashi“ wäre es interessant den Begriff „Sente“ näher zu betrachten.

    Was bedeutet „Sente“ und welche Formen von Sente gibt es (Go no sen, sen no sen und sensen no sen). Welche Auswirkungen bzw. Ausprägungen hat Sente auf den Satz?

    Viele Grüße und Oss
    Dirk Zeuge

    • Kyōhan

      Hallo Dirk,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Was Sente bedeutet, habe ich im Artikel geschrieben. Die unterschiedlichen Formen sind in meinen Augen hier nicht so sehr relevant, da ich diese Maxime nicht als taktische Handlungsanweisung sehe, sondern wie geschrieben eher als generelle Verhaltensregel.

      Gruß Holger

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