Sakugawa und das Dōjōkun

Mi, Jun 22, 2011

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Sehr häufig wird zum Thema Dōjōkun eine große Menge Unsinn verbreitet. Da sich viele Vereine, Dōjō oder anderweitig Karateinteressierte/ -betreibende häufig des deutschen Wikipediaartikels bedienen, um sich zu diesem Thema zu informieren, soll dieser als Referenz dienen, um den hier verzapften Quatsch in diesem Artikel einmal zu entlarven.

Punkt 1. Im Wikipediaartikel wird behauptet, dass die Regeln des Dōjōkun die Verhaltensregeln des Budō seien.

Punkt 2. Im Wikipediaartikel wird behauptet, dass die Regeln des Dōjōkun wohl unter anderem von Sakugawa Kanga überliefert und verbreitet wurden.

Punkt 3. Im Wikipediaartikel wird behauptet, dass man dem Dōjōkun noch immer in traditionell-orientierten Kampfkunstschulen begegnet.

So dann fange ich mal beim ersten Punkt an.

Zu den Budōkünsten gehört ja nicht nur Karate Dō, sondern auch Jūdō, Kendō, Iaidō, Kyūdō, Aikidō und andere Künste. In diesen habe ich diese fünf Dōjōregeln noch nie gesehen. Karate wurde im Vergleich zum Jūdō und Kendō recht spät als Budōkunst anerkannt. Funakoshi Gichin war sehr bemüht Karate in Japan als eine weitere Budōkunst neben den schon anerkannten Künsten zu etablieren, hatte aber anfänglich so seine Probleme damit. Als Vorraussetzung zur Anerkennung galten unter anderem festgelegte Prüfungsnormen und Wettkampfregeln. Alles das gab es nicht, als Funakoshi Karate auf dem japanischen Festland begann bekannt zu machen. Da Karate eigentlich immer eine recht individuelle und private Angelegenheit zwischen Meister und Schüler war, gab es keine massentaugliche und einheitliche Ausrichtung in Form von Lehrplänen, wie denn Karate nun vermittelt werden soll. Die Sache mit den fest reglementierten Wettkämpfen war natürlich auch noch Zukunftsmusik zu jener Zeit.

Wieso kannte Kanō Jigorō, der Begründer des Jūdō, diese fünf Regeln nicht, wenn Sie doch die Verhaltensregeln des Budō sind? Ach ja, weil diese Regeln von Sakugawa verbreitet wurden und dieser ein Adept des Karate war, welches erst später als Budōkunst anerkannt wurde. Oder hatte er vielleicht einen eigenen Satz an Regeln?

Nun komme ich zum zweiten Punkt.

Sakugawa Kanga kannte diese fünf Regeln mit absoluter Sicherheit nicht. Über Sakugawa existieren nur sehr, sehr wenige Informationen von denen noch weniger verifiziert werden können. Nicht einmal seine Lebensdaten können exakt belegt werden. Funakoshi hatte kein solches Dōjōkun. Er hätte es doch aber sicherlich verwendet, gerade weil er so große Stücke auf die Erziehung mit Hilfe des Karate hielt, wenn das Dōjōkun aus der direkten Übertragungslinie, so Sie denn tatsächlich existieren sollte, Sakugawa, Matsumura, Asato an Funakoshi übermittelt worden wäre.

Nehmen wir für einen sehr kurzen Augenblick an, Sakugawa wäre doch derjenige, der diese fünf Regeln verbreitet hätte.

Das Dōjōkun wäre dann sicherlich nicht in japanischer Sprache, sondern eher chinesisch oder vielleicht auch in Uchinaguchi, der Sprache der einheimischen Insulaner. Ähnlich ist es auch mit den „Acht Hauptversen der Faust“ aus dem Bubishi. Diese hat Funakoshi in seinen Büchern aufgeführt, original in chinesischer Sprache.

Hätten dann nicht auch so große und anerkannte Meister wie Matsumura, Asato, Itosu, Chibana, Yabu, Hanashiro, Mabuni, Kyan oder Motobu von diesen Regeln gewusst? Aber jene erwähnten diese doch recht wichtig und wertvoll erscheinenden Regeln nicht ein einziges Mal. Auch wenn es nicht viele schriftlichen Überlieferungen gibt, so existieren doch Dokumente von Matsumura, Itosu und Hanashiro sowie Publikationen von Funakoshi, Mabuni und Motobu ohne einen Hinweis auf ein Dōjōkun.

Das Sakugawa irgendetwas mit dem Dōjōkun zu tun hatte, kann also auch getrost ins Reich der Märchen abgeschoben werden.

Zu guter Letzt erfolgen noch einige kurze Anmerkungen zum dritten Punkt.

Wie in einem früheren Artikel von mir schon beleuchtet wurde, existieren viele Dōjōkun. Es gibt nicht das Dōjōkun.  Das bekannteste, mit den fünf Regeln, auch JKA-Dōjōkun genannt, wurde, so der Stand meiner Erkenntnisse, von Nakayama Masatoshi niedergeschrieben. Zumindest findet man immer nur Kaligraphien die von ihm angefertigt wurden (siehe Bild).

JKA-Dōjōkun

JKA-Dōjōkun

Das Dōjōkun findet auch in nicht traditionellen Karate-Dōjō Verwendung, in denen Sportkarate betrieben wird. Das ist sowohl auf Okinawa, als auch in Japan, Deutschland oder sonst wo auf der Welt der Fall.

Um das noch einmal ein für alle mal klar zu stellen. Sakugawa und der sehr weit verbreitete Dōjōkun der J.K.A. haben nichts mit einander zu tun. Er ist eine relativ moderne Sache und wurde erst eingeführt, nachdem Karate zur charakterlichen Erziehung von Menschen herangezogen wurde.

In diesem Sinne.

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